Sonntag, 20. Februar 2011

"No one's gonna love you!" - "Fuck you, I'm married!"

Zwei Wochen kein Eintrag? Was ist denn hier los? Es gibt doch so viel zu schreiben! Und damit meine ich nicht nur die ca. 15 Konzerte, die ich bis Ende April noch geplant habe, sondern vor allem auch die zahlreichen neuen CDs, die in letzter und nächster Zeit erscheinen und erschienen sind. Naja, ich sehe schon, ich werd mich ein wenig einschränken müssen. Konzentriere ich mich halt auf die Konzertberichte und versuche zumindest die wichtigen und besonders guten CDs unterzubringen. Hier jetzt also der Bericht zu Band of Horses, bevor es heut Abend zu den Scanners geht und ich danach alles durcheinanderbringe. ^^

Mein erstes Konzert im Astra Kulturhaus war ja leider nicht so überzeugend, aber immerhin wusste ich danach, wie groß das Astra ist und wie voll es bei ausverkauftem Haus sein kann. Logische Konsequenz: früh genug losziehen, denn Band of Horses sind garantiert einen Platz in den vorderen Reihen wert. Nach vorheriger Recherche stand fest: das gilt auch für die Vorband. Leider musste ich früh feststellen, dass das Publikum ähnliche Anzeichen aufweist, wie sie mich auch schon bei Two Door Cinema Club am gleichen Ort genervt haben. Wo ist eigentlich Olli Schulz wenn man ihn braucht? Um mich herum haben ALLE fast über die gesamte Konzertdauer ihr Handy in die Höhe gehalten. Danke an die junge, englischsprachige Dame neben mir, die stattdessen mit geschlossenen Augen die Musik genossen hat und somit meinen Glauben an die Menschheit wenigstens ein wenig aufrechterhalten konnte. Dabei hatte sie damit eine harte Aufgabe, vor allem aufgrund einer anderen Person, aber dazu später mehr.

Vorband: Mike Noga and the Gents. Vorher noch nie was von gehört, aber es gab schon ein paar wenige Videos bei YouTube, die durchaus für die Herren sprachen. Der Empfang war ein wenig zurückhaltend, das galt aber zu Beginn auch für die Band. Mike kündigte früh an, dass sie langsam anfangen würden, sich dann steigern "and finally we will explode into your faces. Oh, this sounds weird". War aber durchaus ein passendes Versprechen, denn sowohl was die Ansagen als auch die Songs und die Stimmung anging, wurde es immer besser. Tolle Idee z.B., die ganze Halle als "my new friends" anzukündigen, nur um anschließend "All my friends are alcoholics" zu singen. Oder alle Zuschauer in sein Haus in Australien einzuladen, um dann erschrocken "Oh my god" zu stöhnen, als ein Mädchen aus dem Publikum "I will be there! For sure" ruft. Weiter: "We have a little problem here..." Stimme aus dem Publikum: "No more CDs!" Mike: "How do you know? Oh, you've been in Hamburg yesterday" Mikes Band: "So you already know all of his jokes". Naja, auf jeden Fall waren die CDs wirklich schon alle verkauft, so dass der gute Mike nun stattdessen Abwaschhandtücher mit dem Konterfei der Band anpries. Hab ich in der Form auch selten gesehen. Ach, und auch die Liebe kommt in der Band nicht zu kurz: "Do you want us to play a love song?" Verhaltene Reaktionen im Publikum. "Who of you is in love?" Schon ein paar mehr Reaktionen. "I'm in love with three people. That's a problem. I love him. Him. And Him." Deutet dabei auf seine Bandmitglieder. Schön, oder? Hier ein kleiner Live-Eindruck:



Kurze Umbaupause und ENDLICH Zeit für Band of Horses. Ich weiß, man macht sich nicht über sympathische Bands lustig, und die Herren sind eben genau das, aber ist schon eine lustig zusammengewürfelte Truppe. Sei es das Bass-Männchen, der Tastenbär, die schüchterne Version von Chad Kroeger an der Gitarre oder Ben Bridwell himself, dem man gerne mal 5 Euro für ne gute Mahlzeit in die Hand drücken möchte. Egal, darum gehts hier nicht, sondern um die Musik, wie auch besagte Neben-Mir-Steherin bemerkte und sich immer wieder komplett in die Welt der Musik zurückzog - äußerst sympathisch. Mr. Bridwell kündigte einen untypischen Konzertstart an, der aber sehr gut ankam und die Stimmung war direkt ganz oben, was durchaus auch auf die Steigerung von Mike Noga zurückzuführen ist. Da es bei diesem Konzert wirklich sehr auf die Momente ankam, ist es kaum in Worte zu fassen, wie großartig das Konzert insgesamt war. Ein paar Randnotizen gibt es dennoch. Die oben erwähnte Person z.B., die quasi der Gegenentwurf zur Genießerdame neben mir war: eine relative große Sonnenstudio-Blondine, die ich mir besser bei nem Usher-Konzert oder so hätte vorstellen können, und die plötzlich in der ersten Reihe auftauchte, um lauthals "No one's gonna love you!" zu brüllen. Danke an Mr. Bridwell für die Reaktion: "Yes, they will. And fuck you, I'm married", wobei er ihr den beringten Finger entgegenstreckte. Blondie zog sich daraufhin erstmal zurück, was sogar zu einer kleinen Entschuldigung von Ben führte, der sie dann später wieder ansprach, als er besagten Song spielte: "This one's for my blond friend". Wär ja noch ok gewesen, wenn sie dann ruhig geblieben wäre, aber bei der ersten Zugabe, einer Akustik-Version von "Evening kitchen" nur mit Ben Bridwell und Tyler Ramsey, war sie plötzlich wieder in der ersten Reihe und rief wiederholt lauthals "I love it!", während ansonsten alle ruhig waren und dem Song lauschten. Hilfe, fremdschämen! Lustig trotzdem nebenbei: Tyler Ramsey wirkte sehr schüchtern und fast ängstlich, als er plötzlich am Mikro stand, und es sah so aus, als ob Ben ihn immer wieder ermutigen musste "Los, du kannst das!". Dann hat er ihn trotzdem aus dem Konzept gebracht, als er zwischendurch einmal lauthals brüllte. Das Konzert endete nach der dritten Zugabe und dem lange erwarteten "The Funeral". Eindeutig ein Konzert-Moment für die Ewigkeit. Und eine Band, die ich immer wieder gerne live sehen werde.


Sonntag, 6. Februar 2011

Olli Schulz spricht: "Halt die Fresse, krieg 'n Kind"

Es war ein ereignisreiches Wochenende, so dass nach dem Bericht über Imaginary Cities direkt noch einer über Olli Schulz folgt. Frage hierbei: wie fasst man eine fast vier Stunden lange Show von Olli zusammen, vor allem wenn er sich hierbei hauptsächlich auf seine Geschichten und weniger auf die Musik konzentriert hat? Der Abend im Heimathafen (Haha, ein Hafen in Berlin! ^^) war schon ne Weile ausverkauft und so standen schon in der U-Bahn-Station und vor allem vor dem Ort des Geschehens zahlreiche Menschen mit Schildern auf der Suche nach Karten. Ich kenn ja selbst mindestens vier Leute, die gerne noch dabei gewesen wären, schade, dass es nicht geklappt hat. Beim letzten Konzert im Heimathafen (Karen Elson) gab es nur einige Stuhlreihen, dieses Mal gab es genug Sitzplätze für alle und wir konnten noch gute Plätze in ungefähr der fünften Reihe ergattern. Nach einer Aufforderung, doch bitte Stühle mit Jacken zu belegen, da alle Sitzplätze verkauft wurden, kam Olli zu einem "Vorgespräch" zum Vorschein und erklärte, dass der Abend als Bonus für seine neue CD aufgezeichnet wird, u.a. aber auch, weil ihn bei Konzerten immer die Leute nerven, die die ganze Zeit in der ersten Reihe stehen und alles mitfilmen (Wahre Worte, Herr Schulz). Er kündigte auch an, dass uns ein langer Abend bevorsteht, er wolle ca. 1 - 1,5 Stunden spannende Geschichten aus den vergangenen Jahren erzählen und dann ungefähr genauso lange seine neue Platte spielen, die gerade noch aufgenommen wird.

Ich hatte ja vorher befürchtet, dass ich viel schon kennen würde, denn wenn man Olli ein paar mal live gesehen hat, wiederholen sich halt die besonders interessanten Geschichten auch mal. Aber der Mann hat scheinbar schon drei Leben geführt und selbst wenn mir etwas bekannt vorkam, hatte Olli an diesem Abend die Zeit, um alles etwas ausführlicher zu gestalten. Es gab schmerzhafte Geschichten (wenn ich es nicht eh schon ruhiger angehen lassen würde, spätestens jetzt wäre Stagediving für mich gestorben), traurige Geschichten (vor allem die Erinnerung an seinen Freund) und natürlich zahlreiche lustige Geschichten, wobei selbst die vorher erwähnten Kategorien immer wieder lustig waren. Olli bat vorher darum, dass die Leute während der Show und der Aufzeichnung sitzen bleiben, denn die Bar hätte eh geschlossen, und so verwunderte es kaum, dass er die Leute direkt ansprach, die dann doch aufstanden und zur Toilette gehen wollten. Das zog sich quasi wie ein roter Faden durchs Programm, fand aber seinen Höhepunkt, als ein Fan in der ersten Reihe eingeschlafen war. Er wurde natürlich direkt gefilmt und bekam einen Red Bull von Herrn Schulz; ich freu mich wirklich auf die DVD. ^^

Ich könnte hier noch sehr lange weiterschreiben, aber das würde natürlich niemals so wirken als wenn man Olli live erlebt. Vielleicht einfach ein paar Zitate: "Halt die Fresse, krieg 'n Kind" (im Interview zu einem "Indie-Mädchen"), "Kann es sein, dass ihr in eurem früheren Leben Enten wart?" (Zu einem Pärchen am Kreuzberger "Hafen", die sich darüber unterhielten, ob ein ihnen entgegen watschelndes Entenpaar wohl ihre verstorbenen Großeltern sind), "Yes, but I'm hungry" (zum Manager von Mando Diao, als Olli und Felix Gebhard ihnen die für sie reservierten Nackensteaks weggegessen haben), "Ich gehe gern ins Kino und belohne mich ab und zu mit einem Stück Kuchen" (über die kurzen Selbstbeschreibungen von Nutzern bei Facebook) oder "10 Euro! Da kann man nichts sagen! Ich will keine mehr mit nach Hause nehmen!" (über den T-Shirt-Verkauf nach der Show; sah durchaus so aus, als musste er das auch nicht). Ich hab hier Unmengen Sprüche nicht erwähnt und mit Sicherheit auch die lustigsten vergessen, aber es war halt einfach ein Gesamtwerk, was er da gestern auf die Beine gestellt hat. Erinnerungen an seine Kindheit, seine allerersten Songs die er mit 15 Jahren geschrieben hat ("der Strumpfmaskenmörder"), die teilweise bekannten Geschichten aus seiner Zeit als Stagehand undundund. Nett auch, dass er noch Schokolade (und am Ende den ganzen Korb) ins Publikum geworfen sowie ein Buch und ne DVD verlost hat. Man hatte bis zum Schluss (auch nach zwei Zugaben) das Gefühl, dass Olli selbst noch Stunden weitermachen könnte. Ach ja, Arbeitstitel der neuen Platte: "Zuhause ist da wo man sich aufhängt". Ich freu mich drauf. Und auch auf die nächsten Konzerte in Berlin, von denen er für 2011 noch mindestens zwei angekündigt hat. Olli, ich werde da sein. Und mich ohne Handy in der Hand ganz auf die Show konzentrieren.

Imaginary Cities: "We're from Manitoba and this is a Bossanova"

Das fängt ja gut an: erst mein 5. Blogeintrag hier und schon will ich meine kaum vorhandenen Multitaskingfähigkeiten unter Beweis stellen und gleichzeitig über CD und Konzert von Imaginary Cities berichten. Naja, nen Versuch ist es ja wert. Das Konzert hat im Privatclub stattgefunden, wo ich ja im letzten Jahr schon Young Rebel Set gesehen hatte, aber da war es wesentlich voller. Eigentlich kamen wir erst kurz vor offiziellem Beginn im Club an, aber er war quasi noch leer und es dauerte auch noch eine Weile, bis der Support Greg McPherson anfing. Die Zeit wurde aber bestens genutzt, denn sozusagen als Vor-Vorprogramm wurde das Album von Dear Reader gespielt, dass ich aufgrund viel zu vieler anderer neuer Alben in letzter Zeit kaum noch gehört hatte. Danke, Privatclub.

Greg stand dann irgendwie recht plötzlich auf der Bühne und sah dort so ganz alleine trotz kleiner Bühne zunächst recht verloren aus, hat das aber durch Einsatz und Stimmgewalt wieder wettgemacht. Es blieben zwar fast alle auf ihren Sofas sitzen, aber das passte insgesamt sehr angenehm zur Stimmung und die Songs konnte man so auch gut genießen. Mir fehlte zwar an der Musik etwas, aber die Texte waren das Zuhören auf jeden Fall wert und mit Rusty am Schlagzeug klang es schon ein wenig vollständiger. Da er schon einige Alben rausgebracht hat, werde ich mich mit Sicherheit noch näher mit ihm beschäftigen. Danke, Greg.

Imaginary Cities begannen dann mal wieder mit der üblichen Aufforderung und versuchten die wenigen Besucher nach vorne an die Bühne zu locken. Zusammen mit einigen anderen kamen wir dem auch nach, ließen aber noch ein wenig Platz, den die Band später zu einer spektakulären Old-School-Gitarre-und-Bass-Solo-Action nutzte. ^^ Wenn man bedenkt, dass ihre CD "Temporary Resident" noch nicht über einen deutschen Versandhandel zu beziehen ist, war die Stimmung überraschend gut. Es gab auch keine Alben zu kaufen, denn auf den vorherigen Tour-Terminen wurde offensichtlich alles ausverkauft - schade für die Fans in Berlin, aber toll für die Band. Ich erinnere mich an eine Formulierung von Thees (der ebenso wie Greg McPherson für einen Song auf die Bühne gerufen wurde): "Jetzt weiß ich was das ist: Das ist Duffy featuring
Mumford & Sons und The Weakerthans". Stimmentechnisch mag dieser Vergleich noch irgendwie hinkommen, aber spätestens nachdem ich Duffy 2009 zumindest aus der Ferne beim Hurricane sehen konnte (musste?), wird es Sängerin Marti nicht gerecht. Um einen eigenen Vergleich zu starten: sie hat mindestens so viel Energie auf der Bühne wie Beth Ditto, ist dabei aber um ein vielfaches sympathischer. Von den Videos und Berichten kannte ich bislang nur sie und Rusty, aber auf der Bühne wurden sie noch ergänzt um Bass, Schlagzeug und Tasten, die jeweils von mindestens ebenso netten Menschen besetzt waren. Ich würd sagen, die Band hatte mindestens genauso viel Spaß wie das Publikum. Marti hat sich zum Beispiel offensichtlich gefreut, wenn die Fans mitsingen konnten, aber das ist auch kein Wunder, denn das Album zeigt insgesamt keine Schwachpunkte. Der Opener "Say you", der Hit "Hummingbird", das ruhige "Calm before the storm" - das Tempo wechselt, aber es passt alles wunderbar harmonisch zusammen. Schön auch die Ansage: "This song is called Manitoba Bossanova. We're from Manitoba and it's a Bossanova". Ach, ich gehe jetzt nicht weiter in die Details, das Album bekommt einfach das Prädikat "absolut anhörenswert". Für mich gab es an dem Abend auch nen neuen Ohrwurm, denn den Song "Marry the sea" von der EP kannte ich bislang kaum. Da die Band zwei Zugaben geben musste und sich darüber sichtlich freute, wurde auch dieser Song auf Wunsch zweimal gespielt ("We just play for seven months in this band, we don't know any more songs!"). Auch ein Höhepunkt: das Cover von Cakes "Mexico". Als sie dann endgültig von der Bühne gingen, lud Rusty noch alle in den Raucherbereich ein ("Let's all share on cigarette") und der Rest der Band mischte sich unters Volk. Ein schöner Abend und ich freue mich auf mehr von dieser Band. Danke, Imaginary Cities.