The Low Anthem laden zu Konzert und Diskussion - und das an einem Tag, an dem ich mir nicht sicher war, ob ich nach dem vorhergegangenen Abend überhaupt unter Menschen sein sollte und wollte oder ob ich dieser grandiosen Band und ihrem Auftritt die Aufmerksamkeit schenken konnte, die sie verdienen. Die durch das Konzert mögliche Ablenkung war wohl ein wichtiger Grund, warum ich dennoch hingegangen bin, nachdem ich auch den Tag im Büro relativ unauffällig hinter mich bringen konnte.
Also, das erste Mal im Hebbel am Ufer. Sehr nette Location, gutes altes Theater-Feeling und obwohl ich von der Diskussion wusste, war ich ein wenig überrascht zu sehen, dass diese von der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert wurde. Einige Veröffentlichungen aus diesem Hause stehen ja noch aus Unizeiten bei mir im Bücherregal und davon wollten sie heute weitere verkaufen, denn ein großer Stand mit allen Büchern rund ums Thema amerikanische Politik war aufgebaut. Großes Interesse war unter den Besuchern allerdings nicht zu erkennen, das galt jedoch auch für den Merch-Stand, so dass ich das Publikum noch nicht so recht einschätzen konnte.
Im Saal ging es dann direkt in Reihe 1 ... wobei ich wie so viele andere feststellen musste, dass es davor noch die Reihen A, B, C gab. Die offensichtlich leer bleiben sollten. Hmm, okay. Der Abend wurde dann eröffnet von einer Business-Lady, die in ihrem Business-Hosen-Anzug und in feinstem Business-Englisch den Ablauf erläuterte. Zuerst sollte sich die Band mit zwei Akustik-Songs vorstellen, dann stand die Diskussion auf dem Plan, anschließend das restliche Konzert. Falls tatsächlich jemand im Saal die Band noch nicht kannte und wegen des Gesprächs vor Ort war (?), kann ich nur davon ausgehen, dass The Low Anthem mit ihrem kurzen Intro auch deren Herzen erobert haben. So schräg und zusammengewürfelt die Band auch wirken mag, so unglaublich schön wird es doch jedes Mal, wenn sie zusammen performen.
So weit, so gut. Das Fazit zur Diskussion vorweg: was bitte sollte das? Wie ich erst später mitbekam, wussten The Low Anthem (bzw. Ben & Jeff, die die Band bei der Diskussion vertraten) offensichtlich vorher nichts oder wenig von der Planung des Abends. Dann hatte die BPB-Lady gerade mal ein Mikro für beide, was eine flüssige Diskussion mit Sicherheit stocken ließ. Und wenn sie dann kompliziert formulierte Fragen stellte, enthielten diese Thesen, denen die Band nur widersprechen konnte ("I don't think politicians define a country") oder die sie gar nicht erst interessierten ("I am an artist, I don't care about that"). Die Idee an sich ist durchaus gut, aber es wirkte alles sehr ungeplant und schlecht durchdacht. BPB, bitte nachsitzen! Das Beste an diesem Segment des Abends waren immer noch die privaten Erzählungen der Band, wie sie zusammen leben und ihre Musik entsteht oder der Hinweis von The Low Anthem, dass die Fans aus den hinteren Reihen doch bitte die ersten drei Reihen (wie gesagt, A, B, C) besetzen sollten, damit der Saal nicht so leer wirkt.
Dann das Konzert. So sehr ich mich jetzt auch bemühen würde, ich könnte die Atmosphäre im Saal während der Songs gar nicht gebührend wiedergeben. Gefühlstechnisch ist alles möglich, von zu Tränen gerührt bis hin zu von der Live-Energie der Band überwältigt. Sehr schön, dass sie auch wieder die wunderbaren Handy-Klänge ertönen ließen, von denen ich schon im März berichtete. Nachdem Ben den Fans vorher schon erlaubt hatte, sie dürften heute auch auf die Bühne klettern und die Instrumente berühren, tat dies zumindest einer dabei mit zwei Mobiltelefonen und hielt sie ans Mikro - fast schon familiäre Gefühle zwischen Band und Publikum. Am Ende war ziemlich klar, dass niemand im Saal The Low Anthem wollte gehen lassen und es gab Gelächter und Applaus, als Ben sich dafür bedankte, dass die Fans auch beim Interview zugehört hatten. Von meiner Seite aus kann ich mich an dieser Stelle nur nachträglich dafür bedanken, dass The Low Anthem es geschafft haben, mir einen Nachhauseweg mit einem Lächeln im Gesicht zu bescheren. Das hätte ich noch tagsüber kaum für möglich gehalten.
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